Zukunft gestalten: Herausforderungen im Mittelstand bei der Unternehmensnachfolge
„Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Die zweitbeste Zeit ist jetzt.“ – Unbekannter Autor
Die Übergabe eines Unternehmens, sei es innerhalb der Familie oder an externe Nachfolger, stellt eine zentrale Herausforderung dar – nicht nur für die Eigentümer selbst, sondern auch für ihre Familien und die zahlreichen Angestellten der betroffenen Betriebe. Aktuelle Studien zeigen, dass in den nächsten 10 bis 15 Jahren mehr als die Hälfte aller bestehenden Unternehmen vor der Aufgabe stehen, eine solche Übergabe zu realisieren. Das Institut für Mittelstandsforschung kommt zu dem Ergebnis, dass im Zeitraum 2022 bis 2026 etwa 190.000 Unternehmen zur Übergabe anstehen (IfM Bonn, Unternehmensnachfolgen in Deutschland 2022 bis 2026, Zahlen und Fakten). Mittlerweile sind 29% der mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmer über 60 Jahre alt, darunter 13% über 65. Es ist somit „fünf vor zwölf“. Denn die Nachfolgeplanung im Mittelstand spielt eine wichtige Rolle für den Erhalt von Arbeitsplätzen sowie der Steigerung der Wertschöpfung und damit auch für die wirtschaftliche Stabilität eines Landes. Für die Unternehmer und ihre Familien hingegen geht es dabei nicht allein um die Fortsetzung ihrer Unternehmensgeschichte, sondern ebenso um die Bewahrung von Werten und die finanzielle Absicherung für den Lebensabschnitt nach der Geschäftsübergabe. Der nachfolgende Beitrag will – soweit dies in der Kürze überhaupt möglich ist – wesentliche Herausforderungen darstellen, welche es in diesem Kontext zu umschiffen gilt.
Zu den wesentlichen „Stolpersteinen“ zählen:
Beginn der Planung:
Die Weichen für die Unternehmensnachfolge müssen früh gestellt werden. Viele Unternehmen halten sich – auch wenn dies etwas pointiert klingen mag – für unsterblich und beginnen zu spät mit der Suche nach einem Nachfolger oder leiten die Übertragung auf den bereits auserwählten Nachfolger zu spät ein. Dies ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: Denn rechtliche Strukturen lassen sich nicht über Nacht schaffen. Vielmehr kosten dringend erforderliche Umwandlungsvorgänge Zeit und müssen somit frühzeitig eingeleitet werden. Zudem knüpfen zahlreiche steuerliche Vorschriften an Tatbestände an, die schon längere Zeit Bestand haben.
Auswahl des richtigen Nachfolgers
Die Wahl des richtigen Nachfolgers ist eine der größten Herausforderungen. Die Kunst besteht darin, jemanden zu finden, der sowohl die notwendigen Kompetenzen als auch die Leidenschaft für das Unternehmen mitbringt. Daneben muss allerdings auch darauf geachtet werden, dass der Nachfolger die rechtlichen Voraussetzungen für die Fortführung des Unternehmens erfüllt. Zahlreiche Gesellschaftsverträge enthalten beispielsweise spezielle Nachfolgeklauseln, nach denen nur Abkömmlinge des Gesellschafters, die eine bestimmte Qualifikation haben (abgeschlossene Berufsausbildung bzw. Studium etc.) als tauglicher Nachfolger in Betracht kommen.
Die gängigen Modelle der Unternehmensnachfolge sehen wie folgt aus:
Interne Nachfolgearten:
Familiennachfolge
Das Unternehmen wird innerhalb der Familie weitergegeben. Dies kann Kinder, Ehepartner oder andere nahe Verwandte umfassen.
Mitarbeiternachfolge (Management-Buy-out, MBO)
Führungskräfte oder Mitarbeiter des Unternehmens übernehmen Anteile oder das ganze Unternehmen.
Stiftungslösung
Das Unternehmen wir in eine (Familien-) Stiftung eingebracht.
Externe Nachfolgearten:
Verkauf an Dritte
Das Unternehmen wird an einen externen Käufer verkauft, der kein aktueller Mitarbeiter oder ein Familienmitglied ist.
Erwartungshaltung der Beteiligten
Die Beteiligten wissen oft nicht, was sie selbst genau wollen, was gut wäre und was überhaupt realisierbar ist. Zudem spielt die Emotionalität der Beteiligten eine große Rolle, besonders in Familienunternehmen. Loslassen zu können und Vertrauen in den Nachfolger zu setzen, ist für viele Unternehmensgründer schwierig.
Kommunikation
Es ist wichtig, dass zwischen den Beteiligten – Familienmitgliedern, Mitarbeitern, Geldgebern, Lieferanten, Kunden – offen über das Thema der Nachfolge gesprochen wird. Die Beteiligten sollten – soweit dies notwendig ist – in den Übergabeprozess miteinbezogen werden.
Vorbereitung des Nachfolgers
Der Nachfolger sollte – soweit dies möglich ist – schrittweise an die Führungsaufgaben herangeführt werden. Während dieser Phase ist die Unterstützung durch den Vorgänger besonders wichtig. Der Nachfolger sollte zu Beginn der Übernahme die Möglichkeit haben, sich mit dem Übergeber regelmäßig auszutauschen. Es bietet sich an, dass der Übergeber noch eine gewisse Zeit im Betrieb mitarbeitet, sodass dieser seine Erfahrungen und sein Know-how mit dem Nachfolger teilen kann.
Rechtliche und finanzielle Fragen
Im Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge treten des Weiteren zahlreiche rechtliche und finanzielle Fragen auf, die es im Vorfeld zu klären gilt. Hierzu gehören vor allem folgende Fragestellungen:
- Gibt es gesellschaftsrechtliche Beschränkungen (Abstimmung zwischen Gesellschaftsrecht und Erbrecht, gesellschaftsrechtliche Vorgaben bei Mehrpersonengesellschaften wie Vinkulierung, Vorkaufsrechte)?
- Bestehen erbrechtliche Beschränkungen (bindende Verfügungen von Todes wegen, Pflichtteilsansprüche)?
- Welche steuerlichen Auswirkungen haben die gewünschten Gestaltungen? Gibt es steueroptimierte Alternativen?
- Schätze ich den Wert meines Unternehmens realistisch ein?
- Wie stelle ich die Versorgung des Übergebers und seiner Familie im Alter sicher?
Um die Risiken zu minimieren, die aus den oben genannten Bereichen resultieren, ist es notwendig, die familiäre, wirtschaftliche und rechtliche Lage sowohl des Unternehmers als auch des potenziellen Nachfolgers genau zu untersuchen. Dazu sollten alle Verträge und wesentlichen Entscheidungen im Bereich des Gesellschaftsrechts, sämtliche testamentarischen Anordnungen und Verfügungen im Erbrecht, alle Vereinbarungen im Familienrecht sowie alle bereits durchgeführten Übertragungen von Vermögenswerten vorgelegt und von Experten sorgfältig überprüft werden.
Im Folgenden soll noch ein Negativbeispiel aus der Praxis genannt werden, das die Gefahren einer nicht sorgfältig ausgearbeiteten Unternehmensnachfolge illustrieren soll. Der Beitrag ist einem Urteil des Bundesgerichtshofs nachgebildet. Der Fall beleuchtet, warum es bei der Nachfolgegestaltung unbedingt erforderlich ist, die erbrechtlichen Regelungen (Testamentsgestaltung) auf die gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen (Regelung des Gesellschaftsvertrags) abzustimmen.
Fallbeispiel: G ist Mitgesellschafter einer Personengesellschaft (oHG). A und B sind Mitgesellschafter. G ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Der Gesellschaftsvertrag der OHG enthält eine sogenannte qualifizierte Nachfolgeklausel. Diese Klausel besagt, dass nur Abkömmlinge der Gesellschafter als Erben in die Gesellschafterstellung nachrücken dürfen. G setzt allerdings in seinem Testament seine Ehefrau (F) als Alleinerbin ein, ohne spezifische Regelungen bezüglich seines Gesellschaftsanteils zu treffen, sodass das Testament nicht die im Gesellschaftsvertrag festgelegte Nachfolgeklausel berücksichtigt. Dieses Versäumnis führt nach dem Tod des G zu erheblichen rechtlichen Verwerfungen. Die Diskrepanz hat Streitigkeiten zwischen der Ehefrau und den Mitgesellschaftern zur Folge. Rechtlich gesehen hat die im Gesellschaftsvertrag festgehaltene qualifizierte Nachfolgeklausel Vorrang vor dem Testament, da sie eine spezifische Regelung für die Nachfolge in die Gesellschafterstellung enthält. Die testamentarische Einsetzung der Ehefrau als Erbin des Gesellschaftsanteils ist somit nicht wirksam. Aber auch die Kinder sind nicht Erben, da G sie nicht testamentarisch bedacht hat. Somit vererbt sich der Anteil an niemanden. Der Anteil wächst vielmehr den übrigen Gesellschaftern an.
Solche Versäumnisse lassen sich im Nachgang nur schwer beheben und dies auch nur zumeist auf Kosten von erheblichen steuerlichen Nachtteilen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die erfolgreiche Gestaltung einer Unternehmensnachfolge weit mehr als eine administrative Aufgabe darstellt; sie ist ein Zeichen unternehmerischer Weitsicht und Verantwortung. Wie Reinhard Mohn von der Bertelsmann Gruppe es treffend formulierte: „Die Sicherung der Nachfolge ist die größte unternehmerische Leistung!“ Dieses Zitat unterstreicht die Bedeutung der Nachfolgeplanung nicht nur als Absicherung des Lebenswerks eines Unternehmers, sondern auch als einen entscheidenden Beitrag zur langfristigen Sicherung von Arbeitsplätzen, zur Bewahrung unternehmerischer Werte und zur Förderung von Innovation und Wachstum.
Planen Sie frühzeitig!